Tagungshaus
Dass sie selbst dieses Kleidungsstück trage, gehe auf eine sehr bewusste Entscheidung zurück, die sie aber nicht anderen Frauen zur Vorschrift machen wolle und werde. Auch bei ihrer Tochter mische sie sich nicht ein; sie soll ihren eigenen Weg finden, stellte die gebürtige Aachenerin heraus. Ihr eigenes Engagement für einen modernen und offenen Islam zeigte sich auch an vielen Stellen während ihres Vortrags. Die Texte des Koran, sagte sie beispielsweise, sollten mit historisch-kritischen Methoden analysiert und in ihrem geschichtlichen Zusammenhang gesehen sowie verstanden werden. Sehr deutlich wies Du´A Zeitun im Gespräch mit Kommende-Dozent Richard Geisen darauf hin, dass im Koran keine Aussagen vorhanden seien, mit denen sich die Gräueltaten des Islamischen Staates rechtfertigen lassen würden. Vielfach werde ohnehin verkannt, dass sich eine große Zahl von Muslimen für den Frieden engagiert.
In Glaubensfragen gebe es unter den Muslimen in Deutschland und anderswo auf der Welt sehr große Unterschiede. Die Bandbreite reiche von tiefgläubigen Menschen über solche, die eine gewisse Distanz halten bis hin zu denen, die „überhaupt nicht mehr praktizieren“. In den Gemeinden komme den Imamen eine wichtige Rolle zu, sagte die Referentin. Allerdings seien viele von ihnen überfordert und würden auch die Probleme von Jugendlichen nicht kennen. Man erwarte aber von den Amtsinhabern, dass sie sich neben den religiösen Aufgaben auch um Rat und Hilfe bei sozialen Fragen kümmern. Daher brauche eine Gemeinde durchaus Sozialarbeiter oder Psychologen, die den Menschen zur Seite stehen.
Der vor kurzem öffentlich diskutierte Vorschlag zur Einführung einer Moscheesteuer, mit der Gemeinden finanziell unabhängiger werden sollen, stößt bei Zeitun auf wenig Gegenliebe. Es gebe derzeit überhaupt keine gefestigten Strukturen, um ein solches System einzuführen. Zudem stelle sich die Frage, wer die gesamte Verwaltung einer solchen Steuer übernehmen könnte. Zahlreiche Gemeinden seien allerdings, so die pädagogische Mitarbeiterin in der katholischen Landvolkshochschule Oesede bei Osnabrück, finanziell eng gesetzt. Imame müssten ehrenamtlich arbeiten. Anders sei es bei Ditib-Gemeinden. Die Imame, die dort tätig sind, erläuterte der Gast werden nicht nur vom türkischen Staat entsendet, sondern auch bezahlt.
Während ihres Vortrags ging sie auch auf die Situation der hier lebenden Flüchtlinge ein. Die Katholiken unter ihnen haben oftmals große Schwierigkeiten damit, dass viele Katholiken in Deutschland überhaupt keinen Bezug mehr zu Kirche und Glauben haben. „Beispielsweise ist das für Menschen aus Syrien nahezu unverständlich, denn ihre eigene Identität speist sich zum großen Teil aus der religiösen Anbindung“, so Zeitun. Man solle sich auch bewusst darüber sein, dass manche Flüchtlinge aus Syrien oder anderen Staaten der Nahost-Region mit antisemitischen Ressentiments aufgewachsen seien. „Dieses Denken legen sie nicht einfach ab, wenn sie hier in Deutschland sind“, meinte die Referentin, die selbst syrischer Abstammung ist. Grundsätzlich solle man bedenken, dass Flüchtlinge, die hier wohnen, auf der Suche sind nach Heimat und Identität.
Sie selbst sei als Muslima in einem christlichen geprägten Umfeld aufgewachsen. Die entsprechenden Traditionen, vom Glockengeläut bis hin zum Weihnachtsmarkt, seien für sie ebenso selbstverständlich wie ein Kreis von Freunden und Freundinnen, von denen die meisten Christen seien.