Tagungshaus
Laudatio von Dr. Andreas Fisch, gehalten auf dem Kommendefest
am 19. November 2023
Sehr verehrte Damen und Herren, ich habe die Ehre, Ihnen zwei vorbildliche Unternehmen vorzustellen.
Als Weltgesellschaft tun wir gut daran, unseren CO2-Ausstoß und den der anderen klimaschädlichen Gase so gering zu halten, dass die Erderhitzung uns ein Klima belässt, in dem alle Menschen gut leben können. Der Südseeinselstaat Tuvalu, souveräner demokratischer Staat und Mitglied im Common Wealth, ist derzeit unaufhaltsam dabei in den steigenden Fluten des Meeres unterzugehen. Die Asylanträge der kompletten Bevölkerung von etwa 10.000 Einwohner*innen wurden zuletzt von Australien und anderen Ländern akzeptiert und nach und nach werden die Bewohner*innen umgesiedelt. Tuvalu - ein Kristallisationspunkt, der deutlich macht, welche Tatkraft notwendig ist, um noch schlimmere Folgen abzuwenden.
Das Beispiel macht deutlich, wie dringend unsere Wirtschaft die Große Transformation bewältigen muss. Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen sind dafür das, was wir zukünftig brauchen. Beim diesjährigen Tag für Unternehmerinnen und Unternehmer im Mai habe ich dazu Unternehmen eingeladen und musste das Thema des Tisches noch überschreiben mit „Auf dem Weg zum klimaneutralen Unternehmen“. Ein immenser Schritt auf diesem Weg ist es, CO2-neutral zu werden. Und heute prämieren wir ein Unternehmen mit 190-jähriger Firmengeschichte, das CO2-neutral wirtschaftet. Damit ist es Pionier und Vorreiter für unzählige andere Unternehmen.
Es ist die Diagramm Halbach GmbH & Co. KG aus Schwerte mit 185 Mitarbeitenden, 340 in der Unternehmensgruppe. Diagramm Halbach ist eine Sicherheitsdruckerei und Hersteller von Medizinprodukten. Bereits seit 2020 ist das Unternehmen CO2-neutral. Konkret umgesetzt wurde dies durch Maßnahmen beim Einkauf benötigter Materialien, durch ressourcensparende Produktionsprozesse, auch beim Transport zum Kunden und recyclingoptimierte Entsorgung, also den gesamten Wertschöpfungskreislauf. Die Vorstellung, dass Nachhaltigkeit immer nur Geld kostet, wurde durch mitunter ganz einfache Maßnahmen zum Ressourcensparen widerlegt. Und nebenbei ergab sich durch diesen intensiven Prozess manche Innovation und gerade für junge Mitarbeiter*innen gewinnt ein Unternehmen mit einem solchen Engagement an Attraktivität. Die Jury hat besonders hervorgehoben, dass Diagramm Halbach bei seinen Nachhaltigkeitsbestrebungen bis zu Scope 3 gekommen ist. Was bedeutet das? Treibhausgasemissionen, also der unternehmerische Fußabdruck an Kohlenstoff und anderen klimaschädlichen Gasen, besteht in Scope 1 aus den Energiequellen, die das Unternehmen selber direkt kontrolliert, also eigene Heizkessel, der eigene Fuhrpark. Scope 2 sind alle indirekten Emissionen aus eingekaufter Energie. Aber Scope 3 umfasst dagegen die Emissionen aus den Wertschöpfungsketten, die dem Unternehmen vorgelagert sind. Sie können nicht direkt kontrolliert werden und nur über Verhandlung und Auswahl von nachhaltig wirtschaftenden Dienstleistern und Produzenten beeinflusst werden. Die nicht vermeidbaren CO2-Emmissionen schließlich werden kompensiert. Diesen Scope 3 erreichen zurzeit nicht viele Unternehmen.
Damit ist Diagramm Halbach ein erfolgreich nachhaltiges und nachhaltig erfolgreiches Familienunternehmen, mehr als ein Ort zum Geld verdienen, nämlich eine Wertegemeinschaft. Und, wie mir einer der beiden Geschäftsführer anvertraut hat, um solche weitreichenden Maßnahmen umzusetzen, muss Nachhaltigkeit Thema für die ganze Organisation sein. Es braucht viele Mitstreiter*innen. Zum nachhaltigen Unternehmen zu werden ist eine große Teamleistung.
Vor dem gleichen globalen Hintergrund, dass rasch, konkrete und weitreichende Maßnahmen notwendig sind, um unseren Lebensraum zu erhalten, hat die Jury entschieden, ein weiteres Unternehmen mit einem Sonderpreis „Moderner Mehrweg“ auszuzeichnen. Erinnern Sie sich noch an die Corona-Zeiten, als niemand ein Restaurant besuchen durfte? Als quasi alle Imbisse und Gasthäuser auslieferten? Und erinnern Sie sich an die Berge von Müll, die sich dabei Zuhause stapelten? Der Gesetzgeber hat nun seit dem 1.1.2023 vorgeschrieben, dass die Verbraucher*innen auf Wunsch eine Mehrwegverpackung erhalten; Ausnahmen gibt es für sehr kleine Unternehmen. Eine Strategie ist es, auf biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien zu setzen. Ein gewisser Fortschritt, zugegeben! Aber Mehrweg ist das nicht! Mit einem vernünftigen Gesetz als Ordnungsrahmen funktioniert der Markt und sollte ein praktikables und kostengünstiges Angebot hervorbringen. Die findigen Unternehmer*innen sind die Gründer von Vytal Global GmbH, Köln, mit 58 Beschäftigten. Sie ersetzen Einwegverpackungen für To go-Konsum durch hochwertige Mehrwegverpackungen in Form eines digitalen Mehrwegsystems ohne Pfand. Digital gesteuert über eine App können Konsument*innen Mehrwegbehälter für 14 Tage kostenlos ausleihen und bei unterschiedlichen Partnern zurückgeben. Und die Erfinder dieses modernen Mehrweg-Systems haben ihre Eltern nicht vergessen: Es gibt auch eine Offline-Karte. Erst die Überziehung der 14 Tage führt zum Kauf für Geschirr in der Qualität von Tupperware. In der Erklärung der App heißt es schlicht: „Aber hey, gib Sie einfach zurück!“
Die Auswirkungen: Die Rücklaufquote beträgt 99 %. Für die Gastronomie ist das Geschirr kostengünstiger als biologisch abbaubares Einweggeschirr. Ab der 10. Benutzung sind diese Mehrwegverpackungen nachhaltiger als Einwegverpackungen. Derzeit werden die Verpackungen deutlich über 230 Mal benutzt, fortlaufend. Besonders hat die Jury beeindruckt, dass diese gute Idee bereits in anderen Ländern kopiert wird, u.a. Frankreich, Finnland, USA. Und in Deutschland hat sich ein Start up gegründet, das das Prinzip auf den Versandhandel überträgt. Genutzt wird Vytal Global von derzeit 6.500 Partnern und 500.000 Konsumierenden in 12 Ländern. Vielleicht nach dieser Veranstaltung von 100 Personen mehr, vielleicht.
Philipp Halbach von Diagramm Halbach, meinen herzlichen Glückwunsch zum Preis „erfolgreich nachhaltig 2024“!
Dr. Tim Breker von Vytal Global, meinen herzlichen Glückwunsch zum Sonderpreis „Moderner Mehrweg“!