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The Conference House
Die Corona-Pandemie bescherte den Medien ein medial dankbares Dauerthema. Sondersendungen und Brennpunkte zu besten Sendezeiten: nüchterne Mahnungen und Prognosen von Epidemiolog*innen und Virolog*inen, sorgenvolle Interessenvertreter*innen aus Wirtschaft, Einzelhandel, Lehrerverbänden und Schüler*innen, emotionale Debatten um Lock-Down und persönlichen Grundrechten. Bilder von Intensivstationen mit erschöpften Ärzt*innen und Pfleger*innen einerseits – volle Gastronomie und Stadien andererseits. Medial ein „gefundenes Fressen“. Zurück bleiben Zuschauer*innen, allerbest informiert und doch orientierungslos und verunsichert im Streit der Meinungen - trotzig bestärkt in dem, was sie schon vorher für richtig hielten.
Und jetzt? Statt Ende der Pandemie, wie erhofft und versprochen, eine dramatische Zuspitzung und neue Virusvarianten. Große Einmütigkeit, schnell die verpasste Herdenimmunität endlich herzustellen. Wie aber die Menschen überzeugen? Ein gelungenes Beispiel war am 1. Dezember 2021 auf Pro7 zu sehen. Die bekannten Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf hatten 15 Minuten Sendezeit zur freien Verfügung gewonnen. Keine Programmankündigung, offen was passiert.
Gespannte Aufmerksamkeit zu Beginn. Ein leerer Stuhl in einem fast dunklen Raum. Im Hintergrund dumpfe Musik. Dann kommen drei Menschen zu Wort. Lou, 23, die sich kerngesund 2020 mit dem Virus infiziert hat, schwer erkrankte und an der EKMO beatmet werden musste. Das Thema der 15 Minuten wird jetzt klar. Der Begriff „Corona“ fällt - nach 2:44 Minuten, da ist man schon drin in der Sendung. Daniel Zickler, Oberarzt auf der Intensivstation der Charité berichtet ruhig, glasklar und nüchtern einfach, wie Menschen behandelt werden müssen und welche Folgen auch die unterrepräsentierte Krankheit „LongCOVID“ hat. Dann wendet er sich direkt an die Zuschauenden: „Wir Mediziner und Pflegende sind bereit an die Grenzen zu gehen, aber wir können das nur mit Ihrer Hilfe“ und endet mit dem Appell: „Lassen Sie sich impfen! Jetzt ist der Zeitpunkt.“
Es folgt eine längere Pause. Dann, man erkennt ihn erst nicht richtig, nimmt völlig überraschend Olaf Scholz auf dem Stuhl Platz. Er spricht 4:30 Minuten, quasi seine erste Ansprache als (designierter) Bundeskanzler. Ernst und verständnisvoll, die unterschiedlichen Gefühlslagen ansprechend, führt er sensibel die diskutierten Themen der Corona-Pandemie zusammenfassen. „Niemandem geht es gut in diesen Zeiten: mir nicht, Ihnen und Euch nicht“. Er deutet die Maßnahmen, die nur einen Tag später beschlossen werden, an: „Auch dafür, dass deshalb gehandelt wird, fühle ich mich dafür verantwortlich.“ Er beschwört den notwendigen Zusammenhalt, vereint gegen das Virus vorzugehen und wiederholt den Appell des Arztes, die simple Lösung der Krise: „Lassen Sie sich impfen!“
Die 15 Minuten wirken. Sie wirken, weil sie nüchterne Information und politische Verantwortung mit der Situation von Betroffenen verbinden, emotional, rhetorisch überlegt aber nicht effekterheischend und überwältigend. In dem die Perspektive derjenigen, die besonders unter der Situation leiden, Gehör findet, verändert sich die Tonlage und wird sichtbar, was zu tun ist. Es ist der Weg, der vom Wissen zum Handeln führt. Eine Einsicht, die etwa Papst Franziskus nicht müde wird zu betonen: aus der Empathie mit den Leidenden die Wirklichkeit wahrzunehmen. Aus dem Mitgefühl entstehen erst die geforderte Solidarität und der herbeigesehnte gesellschaftliche Zusammenhalt. Die vierte Macht im Staate, die Medien, hat hier gesellschaftliche Verantwortung für die Art und Weise, wie sie berichten.
Markus Wagner
Hier sehen Sie den gesamten Beitrag: https://www.youtube.com/watch?v=5vS0zM6aLl0
Wer sich medial informiert kommt um diese Worte nicht herum: "Inzidenzen", "Tote", "Virus", "Pandemie". Daraus fallen nach einer "MPK" dann "Maßnahmen", "Lockdown", "Querdenker", "Freiheit". "Diskussionen" und "Streit" sind die Folge. Die Menschen sind bestens informiert und gleichzeitig bleiben sie im Streit der Meinungen orientierungslos zurück.
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