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The Conference House
Der Satz „Wir denken zu viel und ziehen zu wenig“ steht gemeinsam mit einem aufgesprühten Joint-Graffito an einem alten Brückenpfeiler am Dortmunder Stadtrand. Die Botschaft des Autors klingt eindeutig. Er scheint sich vordergründig wenig für vernünftige Argumentationen, ausführliche Debatten oder der Reflexion unterschiedlicher Fragen und Herausforderungen zu interessieren, als vielmehr den Ratschlag zu geben, dass wir uns zu wenig auf Rausch und Genuss einlassen. Der neueste Gesetzesentwurf zur Legalisierung von Cannabis durch Karl Lauterbach und Cem Özdemir am vergangenen Mittwoch könnte den unbekannten rauschliebenden Philosophen oben erfreuen. Maximal drei Pflanzen auf dem Fensterbrett, höchstens 25 Gramm zum Eigenbedarf oder Vereine zum gemeinschaftlichen Anbau sind erste Schritte der - wie es scheint - lang ersehnten Legalisierung in Deutschland.
Für die umstrittene Legalisierung von Cannabis werden häufig drei Argumente angeführt. Erstens könnten der Staat und die Justiz entlastet, sogar auf Dauer neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Zweitens könnte das Millionengeschäft des Schwarzmarkts stillgelegt und Verunreinigungen der Stoffe ausgemerzt werden. Und schließlich wird drittens der Konsum von Cannabis mit dem Genuss von anderen legalen Rauschmitteln verglichen. Aus ethischer Sicht sind alle diese spekulativen Hauptargumente (ausgeschlossen: medizinische Indikation) dringend anzufragen.
Welche Vorkehrungen sind einer dringend notwendigen Aufklärungs- und Präventionsarbeit gesellschaftlich und politisch, in Schulen oder Jugendeinrichtungen gegeben? Wie ist weiterhin ein Kinder- und Jugendschutz gewährleistet? Was bedeutet der legale Konsum für medizinische Versorgungsleistungen bzgl. steigender Notfälle u.a.? Finden gesellschaftlich vulnerable Gruppen Beachtung in den Überlegungen? Kann der qualitativ schlechtere, aber preislich günstigere Schwarzmarkt so wirklich in den Griff bekommen werden und ist der Vergleich mit anderen Genussmitteln nicht eine Scheinbegründung? In der breit geführten Debatte teile ich daher die Frage, die der Moraltheologe Prof. Dr. Sautermeister in den Ring geworfen hat: Sollten wir die Frage nicht herumdrehen und uns an Neuseeland orientieren, welches ein tabakfreies Land werden will? Es wäre in jedem Fall interessant, mit dem rauchenden Philosophen am Dortmunder Stadtrand einmal darüber nachzudenken: Wir ziehen zu viel und denken zu wenig?!
Ob der Vorschlag zur Legalisierung von Cannabis wirklich den Schwarzmarkt austrocknet und alle Herausforderungen der Thematik berücksichtigt, hinterfragt Hannes Groß in seinem Stand•PUNKT.