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The Conference House
Die nächste Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2024 scheint noch weit entfernt. Dennoch ist es für demokratische Parteien und Zivilgesellschaft jetzt an der Zeit, sich ernsthaft mit der Zukunft der Union auseinanderzusetzen statt Sonntagsreden zu schwingen. Dabei müssen Krisendiskurse und das Handeln nach rein innenpolitischen Logiken überwunden werden. Stattdessen braucht es praktisch-attraktive Zukunftsperspektiven, die nicht nur die Europabubble, sondern breitere Bevölkerungsschichten überzeugen.
In enger Abfolge präsentierten in diesen Tagen zunächst Abgeordnete aus fünf Fraktionen des Europäischen Parlaments mit dem sogenannten Article-48-Report ihre Reformvorschläge für die Europäische Union. Wenige Tage später folgte ein ebenfalls sehr konkret werdender Vorschlag zu Reform und Erweiterung der EU durch eine deutsch-französische Expert:innengruppe. Ein Momentum für europäischen Aufbruch?
Das lässt sich so nicht beobachten, im Gegenteil: Wahlprognosen zeichnen das Bild eines Europas, das sich seit der Wahl von 2019 Stück für Stück nach rechts verschiebt. Mit Folgen, wie man sie nicht nur in der Migrationsrhetorik, sondern auch in offiziellen Statements der Europäischen Kommission bereits vermehrt beobachten kann.
Gleichzeitig wurde das Versprechen einer „geopolitischen Kommission“ mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine und eine neue Rhetorik gegenüber China teilweise eingelöst. Die dringend erforderliche Kursänderung in der europäischen Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik lässt jedoch stark daran zweifeln, inwiefern die Union langfristig als glaubwürdige Partnerin auftreten kann.
Extern wird das bei Blockaden durch einzelne Länder in der Außenpolitik deutlich: Ungarn hinterfragt Sanktionspakete, Bulgarien setzt trotz Fortschritten Nordmazedonien mit Blick auf seine Beitrittsperspektive stark unter Druck. Aber auch intern zeigt die trotz der Erfüllung aller Beitrittskriterien vor allem von Österreich weiter blockierte Aufnahme von Bulgarien und Rumänien in den Schengenraum die Handlungskrise einer Veto-Union.
Diese Haltung macht Europa auch in den Augen seiner Bürger:innen immer unattraktiver – wenn sich bereits die eigenen Regierungen in trotz allgemeiner Unterstützung der europäischen Idee im konkreten immer wieder „an Brüssel“ abarbeiten: Warum sollen die Wähler:innen anders reagieren? Von daher gilt es nun für alle: rechtzeitig und praktisch Europa zu wagen! Ansonsten droht der Europäischen Union nach einem auch parlamentarischen Rechtsruck bei den Wahlen 2024 weiterwachsende Handlungsunfähigkeit, im Zweifelsfall mit dauerhafter Abwärtsspirale.
Inwiefern die aktuelle politische Situation „Europa wagen“ notwendig macht, kommentiert Gregor Christiansmeyer in seinem Stand•PUNKT.
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