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The Conference House
„German Vote“ wird das Verhalten der deutschen Regierung in Brüssel genannt – also erst verhandeln, einen Kompromiss finden und dann einen Rückzieher machen.
Abgesehen davon, dass dieses Verhalten von einer bestenfalls unglücklichen Verhandlungskultur Zeugnis gibt, führt es im Fall der EU-Lieferkettenrichtlinie unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte zu dem tatsächlichen Wegfall einer Chance: der Chance, für manche Menschen weltweit ihre Arbeitswelt ein wenig gerechter und sicherer zu gestalten und Nachhaltigkeitskriterien bei der Produktion zu beachten.
Was war passiert? Nachdem die deutschen Vertreter:innen im Dezember den gefundenen Kompromiss ihre Zusage verweigert hatten, war das Gesetz noch einmal neu verhandelt worden. Aber auch jetzt im März 2024 konnten sich die Regierungsvertreter:innen nur zu einer Enthaltung durchringen. In der abgeschwächten Form findet die Regelung nur noch Anwendung auf europäische Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitende (1. Entwurf: 500) und einem Jahresumsatz von mindestens 450 Millionen (1. Entwurf 150 Millionen). Misereor schätzt, dass hiermit maximal 1.500 Betriebe der EU betroffen sind. Die Enthaltung beruht auf der Uneinigkeit der Koalition in Berlin. Und während Hubertus Heil auf der Seite seines Ministeriums stolz verkündet „Europa stimmt für Lieferkettenrichtlinie“ verlautet es aus FDP-Kreisen, die Einigung sei „bedauerlich“ und „praxisfern“.
Die Frage ist: Welche Werte leiten Politiker:innen? Welcher Wert kommt Menschenrechten zu bei politischen Entscheidungen? Also um genau zu sein: Rechte von Menschen, die das Pech haben nicht in der EU zu leben und zu arbeiten. Es ist beschämend, dass behauptete „undurchsichtige Haftungsregeln“ schwerer wiegen als das Recht eines Menschen im globalen Süden auf faire Arbeitsbedingungen.
Wir alle – und da nehme ich mich nicht aus – profitieren gegenwärtig davon, dass weltweit für in Deutschland konsumierte Güter Menschen Kaffee- und Kakaobohnen oftmals ohne Sicherheitsvorkehrungen ernten, Blumen mit Giften behandeln, die in der EU verboten sind, seltene Erden in Kriegsgebieten unter mittelalterlichen Bedingungen abbauen, Steine als Lohnsklaven aus dem Steinbruch brechen und bearbeiten, Kleidung zu Löhnen nähen, die auch im Herkunftsland unter dem Mindestlohn liegen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Und da wir als Verbraucher:innen nur bedingt die Möglichkeit haben, die Lieferketten nachzuvollziehen, erwarte ich von der Politik, dass sie die Unternehmen in die Pflicht nimmt und diese verantwortungsvoll produzieren. Denn in Deutschland haftet ein Produzent/eine Produzentin sehr wohl für bestimmte Fehler am Produkt auch nach dem Verkauf gegenüber den Käufer:innen. Genauso soll er/sie aber auch dafür Sorge tragen, dass die Produktion dieser Güter Standards und zwar betreffs der Nachhaltigkeit und der Menschenrechte beachtet – weltweit.
Seien wir ehrlich: Diese EU-Richtlinie kann erst der Anfang sein, wenn wir Menschenrechte allen Menschen zubilligen. Darum darf es zukünftig nicht sein, dass deutsche Politiker:innen nicht Farbe bekennen, wenn es heißt: Menschenrechte verbessern? JA!
Die Möglichkeit, für manche Menschen weltweit ihre Arbeitswelt ein wenig gerechter und sicherer zu gestalten und Nachhaltigkeitskriterien bei der Produktion zu beachten, diskutiert im Zuge der EU-Lieferkettenrichtlinie Martina Luft im neuen Stand•PUNKT.