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The Conference House
Als am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft trat, hatten die Mütter und Väter des Grundgesetzes, stets das mahnende Beispiel der gescheiterten Weimarer Reichsverfassung vor Augen. Diese war erst dreißig Jahre zuvor verabschiedet und von den Nationalsozialisten missbraucht worden. Anspruch des „Parlamentarischen Rates“, der seit dem 1. September 1948 an dem Gesetzestext gefeilt hatte, und der westlichen Alliierten war es parteipolitische Grenzen zu überwinden, um die richtigen Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Im Grundgesetz sollten freiheitlich-demokratische Werte manifestiert werden, was insbesondere auch heute noch, in den Grundrechtsartikeln zum Ausdruck kommt.
Dennoch sahen die Mitglieder des Parlamentarischen Rates, im Grundgesetz lediglich eine provisorische Ordnung, die nach einer Wiedervereinigung einer gesamtdeutschen Verfassung als Vorbild dienen und durch diese abgelöst werden solle. Aus dem Provisorium wurde eine breitakzeptierte Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens, die nun schon 75 Jahre besteht. Dabei gab es jedoch auch immer wieder Anfragen an das Grundgesetz, wie die vertane Chance einer gemeinsamen gesamtdeutschen Verfassung bei der Wiedervereinigung 1990, die hier als nur ein Beispiel erwähnt sei.
Die Leistung des Grundgesetzes sind jedoch nicht die Buchstaben der Paragraphen, sondern der Wandel der deutschen Gesellschaft zu einer gelebten Demokratie. Der häufig zitierte Ausspruch „Bonn ist nicht Weimar“, der den vermeintlich besseren Verfassungstext des Grundgesetzes im Vergleich zur Weimarer Reichsverfassung von 1919 dokumentieren soll, greift zu kurz. Denn die vergangenen Jahrzehnte und insbesondere auch die Demonstrationen zu Beginn dieses Jahres gegen Rechtspopulismus und -extremismus haben gezeigt: Demokratie lebt nicht allein von Paragraphen, sondern vor allem von Demokrat:innen, die diese mit Leben füllen und sich für ihren Erhalt einsetzen. Dazu gehört es auch Paragraphen zu hinterfragen oder neu zu interpretieren. Politische Debatte ist für die Demokratie unverzichtbar. Das wir heute mehr als 1933 über diese Demokrat:innen verfügen, ist die eigentliche Leistung des Grundgesetzes. Dazu herzlichen Glückwunsch! Diese Arbeit hört jedoch nicht auf.
»Die Leistung des Grundgesetzes liegt nicht allein in den formulierten Paragraphen, sondern im Beitrag zum Wandel der deutschen Gesellschaft zu einer gelebten Demokratie«, erläutert Robert Kläsener in seinem Stand•PUNKT.