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The Conference House
Wie wächst Anstand? Wo lernt man, sich menschlich zu verhalten, dass man einander respektiert und sich selbst die Würde bewahrt? Wir leben nicht erst seit gestern in einer Gesellschaft der Besserwisser und Rechthaber, aber die Verrohung der Sprache und die Steigerung des Erregungspotentials haben ein Ausmaß erreicht, das sprachlos macht. Die Dämonisierung Andersdenkender – links wie rechts – ebenso wie blindwütiger Vandalismus und die Selbstermächtigung, das vermeintliche Recht in die eigene Hand zu nehmen, schaffen ein Gefühl der Verunsicherung und Ratlosigkeit.
Wo lernt man, dass man sich nicht nehmen kann, was einem gefällt? Dass man nicht blind dreinschlagen kann, was einem zuwider ist? Konkret gefragt: Was ist in der „Kinderstube“ schief gelaufen bei denen, die hetzen und pöbeln, die andere verbal und tätlich angreifen, die im Schutz Gleichgesinnter ihrem aufgeblähten Imponiergehabe Luft machen und im Gefühl der Überlegenheit andere klein machen?
Anstand ist offensichtlich eine knappe Ressource in einer pluralen Gesellschaft, die offensichtlich immer weniger auf einen gemeinsamen Wertekonsens zurückgreifen kann: jene Selbstverständlichkeit, mit der man hilfsbereit und angemessen auf Herausforderungen reagiert („da nicht für!“) und in bestimmten Situationen einen Vorrat an Alltagsmoral hat: „das macht man nicht“ – auch wenn man es könnte und keiner es sieht. Es gab mal eine Zeit, als man sich – frei nach Kant -selbstkritisch hinterfragte: „Was ist, wenn es alle tun?“. Mittlerweile ist die Hemmschwelle bei vielen weiter gesunken und einem Akt der Selbsterlaubnis gewichen: „Die Freiheit nehm‘ ich mir“ – auch wenn es zum Nachteil und zum Schaden anderer ist.
Etwas ist da in unserer Gesellschaft offensichtlich aus dem Ruder gelaufen. Antisemitische Hetze, rechtsradikale Parolen, Hasskommentare im Netz, tätliche Angriffe auf Politiker, Wahlhelfer, Rettungskräfte … - Wie kann es in einer zivilisierten (?) Gesellschaft zu solchen Ausfällen kommen? Mein Verdacht: Wir zehren vom gemeinsamen Vorrat an geistigen, kulturellen Werten, Grundsätzen, Prinzipien, den Generationen vor uns über Jahrhunderte angelegt haben und den wir, wie ich fürchte, seit geraumer Zeit leichtfertig verspielt haben. Bürgerliche Tugenden, aus dem Christentum abgeleitet und über Jahrhunderte prägend für die moralischen Grundüberzeugungen in der Gesellschaft, die von Generation zu Generation weitervererbt worden sind, sind offensichtlich ins Rutschen gekommen.
Wenn selbst bekennende Nichtglaubende wie Gregor Gysi eine religionsfreie Gesellschaft fürchten, „weil es dann kaum definierte Werte und Moralvorstellungen gäbe und wichtige Traditionen verschwänden“, dann ist es an der Zeit, selbstkritisch, aber auch selbstbewusst die christliche Kernkompetenz in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Offensichtlich ist auch eine säkulare Gesellschaft auf die Kirchen als moralische Taktgeber angewiesen. Das sollten sich (nicht nur) die Christen hierzulande zu Herzen nehmen.
Anstand ist offensichtlich eine knappe Ressource in einer pluralen Gesellschaft, die immer weniger auf einen gemeinsamen Wertekonsens zurückgreifen kann. Wieso selbst Gregor Gysi eine religionsfreie Gesellschaft fürchtet und wir deshalb dringend gemeinsame Werte als christliche Kernkompetenz benötigen, erläutert Prälat Dr. Peter Klasvogt in seinem Stand•PUNKT.