28.06.2022

@Bundesregierung: Essen retten – Leben retten!

„25 Millionen Tonnen Getreide sind derzeit in ukrainischen Häfen blockiert. Es droht [eine] Ernährungskrise vor allem in Afrika & [im] Nahen Osten als Folge von Russlands Angriffskrieg. Wir sagen: Wir sehen Euch, wir hören Euch und wir unterstützen Euch.“ – twitterte das Auswärtige Amt am 12. Mai 2022. Heute, mehr als einen Monat später, stellt sich nun die Frage: wie sieht diese Unterstützung aus? Zweifelsohne es wurden viele Gespräche geführt, Polen hat angekündigt seine Kapazitäten über den Landweg auf 1,5 Millionen Tonnen pro Monat auszubauen und verstehen Sie mich nicht falsch, das ist gut so.

Doch die Lebensmittelkrise ist auch eine Systemkrise. Einflussreiche Staaten zumeist aus dem globalen Norden sichern ihre Versorgung, der globale Süden steht zumeist hinten an. Dabei gibt es in Deutschland auch andere Möglichkeiten um Engpässen zu begegnen. Jedes Jahr werden in Deutschland bis zu 12 Millionen Tonnen produzierte Lebensmittel weggeschmissen, das sind 75 Kilogramm pro Person. Dabei ist vieles, was auf dem Müll landet, eigentlich noch genießbar, weil beispielsweise die Mindesthaltbarkeitsdauer, nicht aber das Verfallsdatum überschritten ist, die Verpackung beschädigt ist oder Obst und Gemüse nicht mehr ganz so schön aussehen.

Viele Menschen haben dieses Problem erkannt und einige stemmen sich dem aktiv entgegen: Sie containern, das heißt, sie nehmen weggeworfene Waren aus Abfallcontainern. Was gut für unsere Umwelt ist und zur Bekämpfung der Ernährungskrise beiträgt, ist rechtlich verboten. Die Rechtslage wurde jüngst vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, auch weggeworfene Lebensmittel sind geschütztes Eigentum (vgl. §243 StGB). Containern als „Fall besonders schweren Diebstahls“ zu bewerten sei absurd, meint auch der Aktivist und Jesuit Jörg Alt. Öffentlichkeitswirksam containerte er, filmte sich dabei und erstattete Selbstanzeige, um den Druck auf die Politik zu erhöhen.

Liebe Bundesregierung, bitte schauen Sie doch in Ihren Koalitionsvertrag. Sie schreiben, „wir werden […] die Lebensmittelverschwendung verbindlich branchenspezifisch reduzieren“ (S.45). Wenn Sie Menschen hören und unterstützen wollen, wäre ein solches Gesetz ein guter erster Schritt.

Ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung wie in Frankreich oder Tschechien ist dringender denn je. Denn mit den Folgen des Ukraine-Russland-Krieges umzugehen heißt nicht nur Wege für Getreideexporte zu höheren Kosten zu finden, sondern im eigenen Land und ja, bei sich selbst, anzufangen. Das gilt für Strom und Gas, genauso wie für Essen. Ein solches Gesetz rettet dann am Ende hoffentlich nicht nur Essen, sondern mittelfristig auch Leben.

Raphael Röwekamp