Tagungshaus
Ja, sie haben sich entschuldigt und seien missverstanden worden. In einer großformatigen Anzeige in überregionalen Tageszeitungen und Portalen hatte die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) die Kanzlerkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen als „Moses“ mit Verbotstafeln karikiert. Die INSM hat sich für die Anzeigenkampagne heftige Kritik eingefangen: Sie bediene sich antisemitischer und antijüdischer Stereotypen. Und das in einer Zeit, wo die Republik „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ feiert.
„Geht es eigentlich noch populistischer?“, fragt der Caritas-Präsident Deutschland, Peter Neher. Die Anzeige sei „kurzsichtig, einfallslos und regelrecht peinlich“. Es geht. Denn den Aktivisten von Campact fällt als Reaktion nichts Anderes ein, als mit gleicher Münze nun den Kanzlerkandidaten der CDU/CSU in gleicher Moses-Pose mit zwei Klemmbrettern zu karikieren. Bevor der Bundestagswahlkampf beginnt, ist das Niveau schon ganz unten.
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, kritisiert die Anzeige der INSM: „Die INSM wäre gut beraten, das Thema Religion, von dem sie offensichtlich nichts versteht, anderen zu überlassen." Recht hat sie, denn die Anzeige zeichnet nicht nur ein völliges verzerrtes Bild des biblischen Moses. Sie verkennt auch den Charakter der zehn Gebote, einer zentralen Urkunde auch der christlichen Religion. Die zehn Gebote sind alles andere als Verbotstafeln, sondern vielmehr Grundregeln für ein soziales Miteinander. „Ihr Sinn besteht darin, das die Gemeinschaft ein Leben in Freiheit führen könne,“ so der rheinische Präses Thorsten Latzel. Ein Leben in Freiheit und sozialer Sicherheit, wie zu präzisieren wäre.
Die Anzeige der INSM hat eine Grenze des politisch-moralischen Anstands überschritten. Anstand und Respekt sind die zentralen Tugenden der politischen Kultur und Grundlage der Demokratie. Wenn die INSM wie behauptet, für eine offene demokratische Gesellschaft eintritt, sollte sie auch für Anstand und Respekt stehen. Bleibt zu hoffen, dass der Bundestagswahlkampf in Anstand und Respekt vor dem bzw. der politischen Mitbewerber*in stattfindet. Populistische Phrasen und Diskreditierung von Politikern durch Lobbyisten sind das letzte, was wir in diesen herausfordernden Zeiten des sozialökologischen Wandels brauchen.
Detlef Herbers
Ist das noch Wahlkampf oder kann das weg? Die INSM-Anzeige, die Annalena Baerbock als „Moses" mit Verbotstafeln karikiert, senkt das Debatten-Niveau auf die Höhe einer zusammengefalteten Tageszeitung (ohne Werbung). „Anstand und Respekt sind die zentralen Tugenden der politischen Kultur und Grundlage der Demokratie. Wenn die INSM wie behauptet, für eine offene demokratische Gesellschaft eintritt, sollte sie auch für Anstand und Respekt stehen", kommentiert Detlef Herbers.
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