Tagungshaus
Mit der Spargelzeit beginnt in Deutschland die Erntesaison und mit ihr kommen wieder zahlreiche Erntehelfer*innen aus Osteuropa. Nachdem zu Beginn der letzten Spargelernte und der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr 2020 noch die Sorge groß war, dass die Ernte aufgrund des Einreiseverbots auf dem Feld liegen bleibt, ist die Landwirtschaft dieses Jahr besser vorbereitet: Zusätzlich zu den Hygienemaßnahmen der Landwirt*innen auf den Höfen, leistet auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit einer Ausnahmeregelung ihren vermeintlichen Beitrag zur Pandemiebekämpfung: Landwirtschaftliche Betriebe können von März bis Ende Oktober 2021 ihre ausländischen Saisonarbeitskräfte 102 statt 70 Tage sozialversicherungsfrei beschäftigen. Diese längere Beschäftigung der ausländischen Saisonarbeitskräfte soll den Personalwechsel und die Mobilität reduzieren.
Was das Ministerium als Pandemiebekämpfung und als Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln verkauft, enthält eine gefährliche Doppelmoral: Einerseits ist die Wirksamkeit der Ausnahmereglung in Frage zu stellen: Wären Maßnahmen wie eine Einzelzimmerpflicht und tägliche verpflichtende Tests nicht sinnvoller? Andererseits geht diese Regelung zu Lasten der Saisonarbeitskräfte: Eine Erweiterung des sozialversicherungsfreien Zeitraums bedeutet 102 statt 70 Tage keinen sozialen Schutz der Beschäftigten. Denn weder die Arbeitnehmer*innen noch die Arbeitgeber*innen müssen in dieser Zeit z. B. Beiträge zur gesetzlich vorgeschriebenen Krankenversicherung bezahlen. Schließen die Landwirte keine private Versicherung für die Saisonarbeitskräfte ab, haben sie meist keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und müssen im Krankheitsfall die Kosten selbst tragen. Das ist gerade in Zeiten einer Pandemie unverantwortlich!
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft präsentiert eine nur scheinheilige Lösung dieses Problems. Es gibt in ein und derselben Pressmeldung die Einführung einer Meldepflicht bekannt, die den Krankenversicherungsschutz der Saisonarbeitskräfte gewährleisten soll[1]. Diese Meldepflicht kann grundsätzlich positiv bewertet werden und ist insbesondere für Pandemiezeiten sinnvoll. Dass diese Pflicht jedoch nicht zum gleichen Zeitpunkt wie die Ausnahmeregelung in Kraft tritt, sondern vermutlich erst ab Januar 2022 gelten soll, bleibt in der Mitteilung unerwähnt.
Eine solche täuschende Pressemitteilung von Seiten eines Ministeriums fördert die vorhandene Verunsicherung und fehlende Glaubwürdigkeit der Politik. An die Stelle von irreführenden Darstellungen, scheinheiligen Maßnahmen und damit verbundener egoistischer Imagepflege muss eine verlässliche und transparente Politik treten, die das Wohl aller Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Charlotte Bachmair
[1] Pressemitteilung vom 31. Mär 2021 „Bundeslandwirtschaftsministerin erreicht Ausweitung der kurzfristigen Beschäftigung“: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/051-102-tage.html
Auch dieses Jahr kommen wieder viele Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa, um den deutschen Landwirt*innen bei der Ernte zu helfen. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine Ausnahmeregelung erlassen, die es erlaubt Saisonarbeitskräfte 102 statt 70 Tage sozialversicherungsfrei zu beschäftigen. Diese längere Beschäftigung soll den Personalwechsel und die Mobilität reduzieren, geht jedoch zu Lasten der Saisonarbeitskräfte, die nun meist weitere 32 Tage ohne Krankenversicherung auf dem Feld arbeiten und das in Zeiten einer Pandemie. Charlotte Bachmair mit dem Stand•PUNKT.