05.08.2021

Einschüchterung von Klimademonstrant*innen?

Am 23. Juli 2021 macht eine Gruppe von 20 christlichen Umweltschützer*innen und Klimapilger*innen auf ihrem „Kreuzweg für die Schöpfung“ Rast beim Schloss Oberwerries in Hamm. Sie sind auf dem Weg von Garzweiler nach Gorleben, halten unterwegs Andachten ab und tragen das Misereor-Hungertuch und ein Plakat mit einem Zitat von Papst Franziskus: „Diese Wirtschaft tötet!“. Die Rast wird von Polizisten aus Hamm überraschend nicht als religiöser Pilgerweg, sondern als eine nicht genehmigte politische Versammlung eingeschätzt. In der folgenden Diskussion eskaliert die Situation: Drei Pilger werden verletzt, eine 66-Jährige muss mit Platzwunde und Gehirnerschütterung ins Krankenhaus, ein 26-Jähriger wird abgeführt, weil er Fotos gemacht hat. Eine ungewöhnliche Härte im Durchgreifen der Hammer Polizisten, deren Handeln momentan durch die Dortmunder Polizei untersucht wird.

Sicherlich ist festzuhalten, dass Polizist*innen zurzeit über Gebühr belastet sind, etwa durch die Anfeindungen im Zusammenhang mit den „Querdenken“-Demos. Erwartet werden darf jedoch, dass Polizist*innen religiöse Andachten einer kleinen Gruppe friedlicher, größtenteils älterer Klimapilger*innen von aggressiv auftretenden und militanten „Demonstranten“ unterscheiden können. Das Gegenteil ist vom Entwurf des Versammlungsrechts der schwarz-gelben Landesregierung NRW zu erwarten.

Dann wäre der Vorfall in Hamm vor dem Hintergrund einer zunehmend gereizten und aggressiven Stimmung in konservativen Kreisen gegen meist jüngere Klimaschützer*innen zu deuten. Manche Passagen des umstrittenen Entwurfs des neuen Versammlungsrechts lassen sich als gezielte Verschärfungen gegen Demos der Klimaschützer lesen. So werden im Gesetzentwurf leicht zerreißbare, weiße Overalls von Klimaschützer*innen mit den aggressionsstimulierenden Uniformen der SS und von Neonazis gleichgesetzt. Dazu passt die seit Januar legalisierte Datenerhebung bei 12- bis 14-Jährigen durch den Verfassungsschutz. Dazu passen die vermehrt bei Klima-Demonstrationen eingesetzten Schmerzgriffe und eine unangemessene Härte der Polizei nicht nur in Hamm. Eine deutliche politische Haltung gegen jegliche Einschüchterung von Demonstrant*innen für den Klimaschutz wäre im Vorfeld der Bundestagswahl wünschenswert: Auch um im Blick auf den angekündigten großen Klimastreik am Freitag, den 24. September 2021 Überreaktionen wie denen der Hammer Polizist*innen vorzubeugen.

Mittlerweile sind die christlichen Umweltschützer*innen nach 470 Kilometern Pilgerweg beim Tagebau Garzweiler angekommen. Ihr Anliegen bleibt dringlich. Die Hochwasser - unter anderem in meiner Heimat, dem Ahrtal - haben (wieder) schmerzhaft in Erinnerung gerufen, dass „Klimaschutz“ nicht das Klima schützt, sondern die Menschen vor katastrophalen Entwicklungen wie unbeherrschbare Wetterextreme bewahren soll.