Tagungshaus
Impfstoffe gegen das Corona-Virus sind da. Seit Dezember 2020 werden auch in Deutschland Menschen geimpft. Der Zugang wird auf Grundlage der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung geregelt. Laut dieser bestehen folgende Priorisierungen für Risikogruppen: Menschen mit höchster Priorität (Gruppe 1), mit hoher Priorität (Gruppe 2), mit erhöhter Priorität (Gruppe 3). Menschen mit geringem oder ohne erhöhtem Risiko auf einen schweren Verlauf der Erkrankung finden sich in Gruppe 4. Ihnen wird also zuletzt eine Impfung angeboten. Klingt erst einmal fair.
Doch wo finden sich hier eigentlich Menschen mit Behinderung[1] wieder? In Gruppe 1 sind die aufgeführt, die in Pflegeheimen betreut werden. In Gruppe 2 finden sich Menschen mit Trisomie 21, Demenzerkrankungen oder Lernschwierigkeiten. Doch was ist mit Menschen mit anderen, teilweise seltenen, Behinderungsformen[2], die nicht in Pflegeheimen leben? Sind sie unter 60, zählen sie zur Gruppe 4: den vermeintlich jungen gesunden Menschen ohne erhöhtes Risiko.
Manche dieser Menschen haben jedoch ein erhöhtes Risiko eines schwereren Verlaufs. So beispielsweise Menschen mit Muskeldystrophie. Manche Menschen leben in eigenen Wohnungen, in denen die Betreuung durch verschiedene Assistent*innen ein zusätzliches Risiko birgt. Manche leben/arbeiten in Einrichtungen der Eingliederungshilfe, die nicht explizit genannt wird. Auch wenn Einzelfallentscheidungen möglich sind, wird deutlich: Menschen unter 60 mit anderen als den aufgeführten Behinderungsformen, die nicht in Pflegeeinrichtungen leben, wurden vergessen – trotz lebensgefährlichem Risiko.
Verschiedene Petitionen[3] und Fachverbände für Menschen mit Behinderung fordern deshalb einen schnelleren Zugang zu Impfungen. Um der Anforderung „Wer das höchste Risiko hat, wird auch priorisiert“ zu entsprechen, wird dieser Forderung zugestimmt: Die vergessene Zielgruppe darf mit ihren Forderungen nicht ignoriert und muss für den Zugang zur Impfung höher priorisiert werden. Nur so werden schwer verlaufende Krankheitsverläufe sowie Todesfälle dieser Gruppe vermindert.
Sandra Knoblich
[1] Das in diesem Standpunkt vertretene Verständnis von Behinderung lehnt sich an das biopsychosoziale Modell der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) der WHO an. Bei diesem Modell ist zentral, dass die Einschränkung auf der körperlichen bzw. intellektuellen Ebene erst dann zu einer Behinderung wird, wenn der Mensch durch die Umwelt oder die Gesellschaft an der gleichberechtigten Teilhabe be-hindert wird. Der Begriff einer Behinderung wird dann angewandt, wenn aus diesen Wechselwirkungen eine Beeinträchtigung der sozialen Teilhabe resultiert.
[2] Behinderungsformen meinen hier Einschränkungen auf der körperlichen bzw. intellektuellen Ebene einer Person.
[3] Die Petition „Impfschutz auch für schwerbehinderte Menschen außerhalb von Pflegeeinrichtungen“ mit mehr als 62.000 Unterschriften, ist hier ein Beispiel (vgl. Homburg 2021: Impfschutz auch für schwerbehinderte Menschen außerhalb von Pflegeeinrichtungen, zu finden auf: https://www.change.org/p/bundesgesundheitsministerium-impfschutz-auch-f%C3%BCr-behinderte-menschen-in-ambulanter-versorgung?utm_source=share_petition&utm_medium=custom_url&recruited_by_id=962af870-7eb0-0130-9741-38ac6f16d25f, Stand 05.02.2021.) Sie verfolgt das Ziel von 75.000 Unterschriften.
Impfstoffe gegen das Corona-Virus sind da. Seit Dezember 2020 werden auch in Deutschland Menschen geimpft. Hierbei wird eine strikte Verordnung verfolgt, laut welcher Priorisierungen für Risikogruppen bestehen. Darin nicht aufgezählt sind derzeit viele Menschen mit Behinderungen, die nicht in Pflegeheimen leben. Die Forderung von Fachverbänden und Petitionen, dies zu ändern, unterstützt Sandra Knoblich im Stand•PUNKT.