21.01.2021

Great again?

Am Beginn der neuen Präsidentschaft in den USA steht nicht die Kampfansage an den Rest der Welt, aber eine Hoffnung für ein verführtes und verstörtes Land. Größe, das lernt man vielleicht von dem neuen, vom Leben selbst gedemütigten Mann im Weißen Haus, zeigt sich nicht im großsprecherischem Imponiergehabe, sondern erweist sich im demütigen Zuhören, in der Bereitschaft, sich selbst zurückzunehmen und andere groß zu machen.

Man mag den empathischen, vertrauensselig klingenden Ton belächeln, wenn der Präsident altersweise davon spricht: „We are good people“. Aber es verrät etwas über die Haltung, mit der er auf seine Landsleute schaut, beseelt von dem Wunsch, das Gute in ihnen zum Vorschein zu bringen. Kaum einer weiß besser, wie tief die Gräben sind, die das Land gespalten haben, wie unversöhnlich sich Menschen gegenüberstehen, die je ihre Meinung für die Wahrheit halten: „zu viel Wut, zu viel Angst, zu viel Spaltung“. Aber, so Biden: „Ich gebe euch mein Wort: Wenn ihr mir die Präsidentschaft anvertraut, werde ich aus dem Guten in uns schöpfen, nicht aus dem Schlechten.“ Das ist kein Regierungsprogramm, aber es sagt etwas über den Charakter des überzeugten Katholiken.

Den stärksten Moment in seiner Antrittsrede hat Biden, als er nichts sagt; der das erste Mal als Präsident alle Bürger bittet, gemeinsam zu schweigen und der mehr als 400.000 Menschen zu gedenken, die an den Folgen des Coronavirus gestorben sind.- „Wenn wir aus der Krise weniger egoistisch herauskommen wollen, als wir hineingegangen sind, dann müssen wir uns von dem Leiden anderer anrühren lassen“, rät Papst Franziskus in seinem Buch „Wage zu träumen!“. Darin liegt letztlich wahre Größe – Hoffnung auch für dieses große Land, dem man nur wünschen möchte: „great again“.