Tagungshaus
Das Ausmaß tiefsitzender Verunsicherung angesichts der vielen Krisen der Gegenwart kann man auch an der Konjunktur von Büchern und Appellen der Hoffnung ablesen. Die Fülle verwirrt, was Hoffnung eigentlich sei, bleibt in der Schwebe, ist vieldeutig. Und oft wird sie verwechselt mit Zukunftsoptimismus: „Alles wird gut“ und „wird schon werden“ sind aber alles andere als „hoffnungsvolle“ Haltungen. Vielmehr sind sie, maskiert als Hoffnung, Ausdruck einer hilflosen Verzweiflung, wiegen in falsche Sicherheiten und kaschieren nur mühsam die fatalistische Ergebenheit in das Schicksal. Fatalismus und Verzweiflung sind aber das Gegenteil von Hoffnung.
Irgendwer oder irgendwas, etwa technischer Fortschritt oder der Markt, soll/wird es schon richten? Dramatisch wird solche Hilflosigkeit, wenn sie in die Sehnsucht nach starken Führern mündet. Wie die Philosophin Eva von Redecker feinsinnig beobachtet, verbirgt sich hinter dieser Sehnsucht nach „Autoritäten“ letztlich der Wunsch nach Entlastung von eigener Freiheit und Verantwortung - eine hoffnungslose und mutlose Selbstaufgabe. Hoffnung ist dem gegenüber „eine Ermutigung, das Leben anzupacken“, wie der Benediktiner Martin Werlen in seinem neuen Buch „Baustellen der Hoffnung“ schreibt. Hoffnung ist ein Weltverhältnis, dass Welt nicht so hinnimmt wie sie ist, sondern sich aufmacht, sie zum Besseren ändern will. Hoffnung ist Antrieb zur Transformation, zur aktiven Gestaltung, zur Umkehr – im Angesicht der Krisen.
„Hoffnung bringt uns in Gang,“ schreibt treffend der Erzbischof von Paderborn, Dr. Udo Markus Bentz. Sie lähmt nicht, sie ist dynamisch. Sie stellt sich der Wirklichkeit und hat ein klares Bild vor Augen, was sein könnte. Sie ist keine Vertröstung, keine Flucht aus der Wirklichkeit, kein utopischer Traum. Hoffnung ist die Gegenbewegung zur lähmenden Zukunftsangst. Als Hoffnung weiß sie nicht, ob es gut ausgeht (Vaclav Havel), aber sie wagt das Neue in den Baustellen des Lebens.
Sich auf den Weg machen. Aufstehen. „Es geht darum, dass man, um aus dem Bett zu steigen, Hoffnung haben muss – denn warum sollte man sonst irgendetwas tun?“ Für die albanische Philosophin Ley Ypi ist Hoffnung eine Art moralische Pflicht. „Es muss nichts gut gehen in der Welt, damit wir Hoffnung haben können, denn tatsächlich ist die Hoffnung die Voraussetzung für unser moralisches Handeln. Ich verstehe nicht wirklich, was es bedeutet, keine Hoffnung zu haben“, so Ypi.
Hoffen gegen die Klimakrise heißt auch für die junge Klimaaktivistin Theresa Crone aus dem Bett steigen. „Dem Klima ist es egal, wenn ich verängstigt in meinem Bett bleibe.“ Auch bei ihr ist die Hoffnung das Gegenmittel zur Zukunftsangst. „Hoffnung, für die notwendigen Veränderungen einzutreten (…) hilft mir gegen die Angst und das Klima.“ Und ihre Erfahrung: Hoffnung steckt an. „Sich zu engagieren gibt anderen Menschen Hoffnung.“ Als Christin ist für sie eine Quelle der Hoffnung der Glaube, der die Kirche verpflichtet, Mensch und Natur zu schützen. „Die Kirche könnte und müsste einer dieser Orte sein, an dem Menschen sich gegenseitig zum Handeln und Hoffen inspirieren.“ - Könnte. Müsste.
Die augenblickliche Weltlage einschließlich des Rechtsrucks allerorten offenbart tiefe Hoffnungslosigkeit. Hoffen wir noch? Wenigstens die Frage sollten wir uns stellen. Sonst wird das nichts mehr mit der ökologisch-sozialen Transformation und der Rettung einer sozialen Demokratie.
VERWEISE
So werden wir zur Erzählgemeinschaft der Hoffnung! Interview mit Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz, in: wirzeit. Zeitung für Engagierte im Erzbistum Paderborn, Ausgabe 03/2024, 3-5. https://wir-erzbistum-paderborn.de/wp-content/uploads/sites/4/2024/12/EBP_MA_Zeitung_03_2024_neu_2.pdf
Dr. Udo Markus Bentz, Mut zur Hoffnung. Wort des Erzbischofs 2024/2025.
https://www.erzbistum-paderborn.de/wp-content/uploads/sites/6/2024/11/Wort-des-Erzbischofs-Mut-zur-Hoffnung-Webversion.pdf
Demokratie radikalisieren. Interview mit Lea Ypi, in: Agora 42. Das philosophische Wirtschaftsmagazin, 03/2024.
Martin Werlen, Baustellen der Hoffnung. Eine Ermutigung, das Leben anzupacken. Herder: 2024.
Theresia Crone, Hoffen gegen die Klimakrise, in: Katholisch? Ach, Gott. Zum 50. Jubiläum der Katholischen Akademie Hamburg 2023, 106-109.
Warum Hoffnung in Anbetracht zahlreicher Krisen ein Antrieb zum Handeln sein sollte, erläutert Detlef Herbers im Stand•PUNKT
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