Tagungshaus
Der Dreischritt des belgischen Priesters Joseph Cardijn ist aus Pädagogik, Ethik und Theologie kaum mehr wegzudenken. Auch im Alltag hilft er oft: „Sehen – Urteilen – Handeln.“ Dabei ist die Reihenfolge der Begriffe nicht selbstverständlich. Allzu oft halten wir sie nicht ein. Wir handeln unbedacht, überstürzt und unvernünftig. Oder: Wir urteilen, ohne hinzuschauen, lassen uns von Vorurteilen leiten oder vertrauen immer auf andere. Die Oberflächlichkeit schadet dabei dem gerechten Urteil. Wie schnell urteilen wir über Menschen, ohne sie wirklich zu kennen? Wie leichtfertig urteilen wir über Situationen, von denen wir eigentlich kaum eine Ahnung haben? Schlimm wird es, wenn wir nicht nur falsch urteilen, sondern auch falsch und ungerecht handeln. Viel Unrecht und Leid geschieht genau deshalb: Wir haben nicht genau genug hingeschaut.
Stichwort Hinschauen: Gerade blicken wir in die Ukraine. Die meisten von uns aus der Ferne. Schnell – manchmal zu schnell – wird nach Freund und Feind eingeteilt. Angesichts des russischen Völkerrechtsbruchs rücken viele andere Diskussionen in den Hintergrund. Doch mit dem Angriff auf die Ukraine gibt es Neues zu sehen und Neues zu beurteilen.
Die Appelle der letzten Tage waren klar: „Es ist unsere Aufgabe, eine solche Katastrophe abzuwenden, und ich appelliere erneut an Russland, dabei zu helfen“, so Bundeskanzler Olaf Scholz. Sehen wir jetzt in den Osten, ist das Urteil eindeutig: Deutschland und andere Staaten haben die Aufgabe leider nicht erfüllen. Diplomatie & Friedensgebete haben den Angriff Russlands nicht verhindert.
Auch für die oberste politische Ebene gilt jetzt: Nicht handeln und dann urteilen und sehen. Heute hinschauen und sich in der wahrscheinlich dunkelsten Stunde seit dem 2. Weltkrieg zurückbesinnen. Kontosperrungen, Einreiseverbote, Stopp von Nord-Stream 2 - eine Sanktionsstufe nach der anderen beendet keine Kriege. Doch für viele Menschen in der Ukraine und Russland geht es in diesem Krieg um das Leben. Was das heißt, kann ich mir als jemand, der noch nie einen offenen Krieg in Europa erlebt hat, kaum vorstellen. Handeln auch wir, nicht nur mit der Verurteilung der Lage und Posts in den sozialen Medien. Handeln wir solidarisch. Menschen brauchen Zuflucht. Menschen brauchen das Nötigste zum Überleben. Menschen brauchen Hoffnung. Handeln wir jetzt!
Die Weltöffentlichkeit schaut auf Russland und die Ukraine. Eine offene Kriegserklärung in Europa. HingeSEHEN und geURTEILt wurde in den letzten Tagen auf allen Ebenen. Am 24. Februar 2022 müssen wir feststellen, dass ein offener Krieg nicht verhindert wurde. Doch (wie) müssen wir jetzt HANDELN? Hinsehen, die Lage neu beurteilen und nicht bloß die nächste Sanktionsstufe zünden, meint Raphael Röwekamp im Stand•PUNKT.
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