Tagungshaus
Wir haben die Wahl. Die Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahl. Und noch einige mehr.
Der Bundestag ist gewachsen. Statt der gesetzlich vorgesehen 598 sitzen inzwischen seit der Bundestagswahl 2021 - Dank Überhang- und Ausgleichsmandaten - 736 gewählte Volksvertreter:innen im Plenarsaal.
Schon länger ist klar, dass das Wahlverfahren zum Bundestag reformiert werden muss, soll die Zahl der Abgeordneten nicht weiter steigen. Im März 2023 wurde nunmehr mit den Stimmen der Ampelkoalition eine Reform des Wahlgesetzes beschlossen:
Die Zahl der Bundestagsmitglieder wird auf 630 festgeschrieben. Überhang- und Ausgleichsmandate entfallen. Außerdem sollen zukünftig Bewerber:innen, die in ihrem Wahlkreis ein Direktmandat erworben haben, dieses nur auch antreten können, wenn es durch die Hauptstimmen gedeckt ist. Die Hauptstimmendeckung ermittelt sich nach der Zweitstimme. Wegfallen soll die Grundmandatsklausel, die bisher den Parteien den Einzug in den Bundestag sicherte, die mindestens 3 Direktmandate erworben hatten.
Durch den Wegfall der Grundmandatsklausel werden im Ergebnis kleine Parteien (also namentlich DIE LINKE und die CSU), die die 5%- Hürde bundesweit nicht „stemmen“, nicht mehr in den Bundestag einziehen. Kommt das Gesetz bei der nächsten Bundestagswahl zur Anwendung, ist absehbar, dass Wähler:innen erleben, dass die von ihnen direkt also mit der Erststimme gewählte Person trotz Stimmenmehrheit mangels Hauptstimmendeckung kein Bundestagsmandat erhält. In Bayern könnte dies dazu führen, dass kein einziger der aktuellen 46 Direktwahlmandatssieger der CSU zukünftig mehr im Bundestag vertreten ist. Was dazu führt, dass die Erststimme in Bayern nicht zählt.
Wir erleben gerade in den letzten Jahren zunehmend, dass Menschen die bundesdeutsche Demokratie ablehnen bzw. leugnen: erinnert sei an PEGIDA- oder die Querdenker-Demos. In diesen Zeiten sind diese Änderungen des Wahlgesetzes ein schlechtes Zeichen. Die mit der Erststimme gewählten - meist den Wähler:innen bekannten - Politiker:innen müssen ihr Mandat sicher haben. Kleine Parteien müssen die Möglichkeit haben, über die Grundmandatsklausel Bundestagsmandate zu erwerben, um an der politischen Willensbildung Teil zu haben. Klar ist auch, dass das personalisierte Verhältniswahlsystem einer Reform bedarf. Diese darf aber nicht dazu führen, Demokratie- und Wahlmüdigkeit zu befeuern. Hier sollten noch einmal Alternativen durchdacht werden. damit bei den Wählenden nicht der Eindruck entsteht: Meine Wahl ist nichts wert und fällt nicht ins Gewicht.
Welche Gefahren die Änderungen des Wahlverfahrens für den Deutschen Bundestag mitbringen und warum diese Demokratie- und Wahlmüdigkeit befeuern, kommentiert Martina Luft in ihrem Stand•PUNKT.
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