Tagungshaus
Endlich geht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Pflegereform mit höheren Löhnen für Pflegekräfte an, die sich auch die Frage der Finanzierung beantwortet, vor allem wenn die Kosten nicht die Familien der stationär Gepflegten überfordern sollen.[1] Den Löwenanteil der Mehrkosten im ersten Jahr finanzieren die üblichen Steuerbeitragenden durch einen Zuschuss aus dem Staatshaushalt.[2] Die Erhöhung von 0,10 Prozentpunkten für Kinderlose leistet einen minimalen Beitrag. Diese Erhöhung ist sinnvoll, jedoch bei weitem nicht mutig genug.
Familienarbeit ist gesellschaftlich wertvoll, weil ohne eine nachwachsende und ausgebildete Generation das gesamte System der Sozialen Sicherung ins Wanken gerät. Die Annahme des früheren Bundeskanzlers Konrad Adenauer, dass diese Leistung ohnehin von allen erbracht würde und somit auf alle Schultern fair verteilt sei, trifft schon lange nicht mehr zu. Pragmatisch spricht für den „Zuschlag für Kinderlose“, dass die Pflege zu Hause durch die eigenen Kinder erheblich kostengünstiger ist als die stationäre Pflege. Die Pflegeversicherung bietet sich daher an, Eltern zu entlasten.
2001 wurde eine Reform der Pflegeversicherung aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes unumgänglich. Erst vier Jahre nach dem Urteil wurde zum damaligen Beitragssatz von 1,70 % ein Zuschlag in Höhe von 0,25 Prozentpunkten eingeführt - für Kinderlose über 24 Jahre, sofern sie keine Geringverdiener*innen sind. Wie bei den meisten Gesetzen üblich zählt kein persönliches Motiv, sondern die faktische Situation. Um dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch weiterhin Rechnung zu tragen und den relativen Zusatzbeitrag Kinderloser im Vergleich zu Eltern beizubehalten, hätte der Zuschlag seit seiner Einführung proportional mit jeder Beitragserhöhung mitanwachsen müssen. Der Zuschlag läge dann jetzt bei 0,46 Prozentpunkten - und nicht bei den 0,35 Prozentpunkten, die Jens Spahn vorsieht.
Der Bundesgesundheitsminister hat mit einer Erhöhung des Zuschlags einen ordentlichen Schritt in die richtige Richtung getan, sich aber leider nicht getraut, das bei Einführung des Zuschlags angemessene Verhältnis zwischen den Beiträgen von Eltern und Kinderlosen wiederherzustellen. Stimmiger und sachlich zutreffender wäre es ohnehin, in der Pflegeversicherung nicht einen „Zuschlag für Kinderlose“ zu erheben, sondern einen allgemeinen höheren Beitrag. Familien sollte dann pro betreutem minderjährigen Kind ein spürbarer Nachlass eingeräumt werden.
Andreas Fisch
[1] Vgl. Stand.punkt vom 12.3.2021 „Wege zu einer besseren Bezahlung von Pflegekräften“ unter: https://www.kommende-dortmund.de/standpunkt/wege-zu-einer-besseren-beza….
[2] Nach den Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Krankenversicherung (WIP): https://www.welt.de/wirtschaft/article229777673/Teure-Reform-Spahns-Pfl….
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ergreift die gute Initiative, Pflegekräften höhere Löhne zu verschaffen. Und erstmalig wird dabei die Finanzierung mitbedacht - durch einen dauerhaften Zuschuss aus dem Staatshaushalt und durch eine geringfügige Anhebung des „Zuschlags für Kinderlose“. Dieser seit seiner Einführung kontinuierlich sinkende Anteil hätte mutiger verändert werden können, meint Dr. Andreas Fisch.
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