02.11.2023

Demokratie(n) in der Krise?

Ob durch das neu eingeführte Präsidialsystem in der Türkei oder die illiberale Demokratie in Ungarn: In den letzten Jahren scheinen demokratische Systeme zunehmend an Attraktivität zu verlieren und sich mancherorts zu autoritären Staatsformen zu entwickeln. Wie erfrischend ist in diesem Zusammenhang das Aufbäumen der polnischen Bevölkerung, die nach acht Jahren die nationalkonservative PiS von Jarosław Katschinski abgewählt hat. Doch bis die strukturellen Veränderungen der polnischen Demokratie wieder zu einer demokratischen Rechtsstaatlichkeit führen, wird es noch lange dauern. Der Schaden lässt sich nur langsam „reparieren“.

Auch in Deutschland können wir zunehmend Vorwürfe zur „Handlungsunfähigkeit“ der Bundesregierung wahrnehmen. Das demokratische System wird auch in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder von populistischen Gruppierungen und Personen wie Alice Weidel oder Sahra Wagenknecht infrage gestellt und als „elitär“ und „abgehoben“ bezeichnet. Diese übersteigerten oder autoritär geprägten Leistungsansprüche an demokratische Institutionen wirken destabilisierend.

Dabei sind Narrative des Niedergangs kein neues Phänomen, sondern so alt wie die Demokratie selbst. In der Weimarer Republik waren Untergangsszenarien bei Gegner:innen und Unterstützer:innen der Demokratie gleichermaßen verbreitet. So schrieben Autoren wie Ernst Jünger oder Erich Kästner gegen die angebliche Verbreitung von Dekadenz, Werteverfall sowie gegen die Zersplitterung der Gesellschaft an. Die Weimarer Republik scheiterte nicht am Verfassungstext, sondern vor allem an fehlenden Demokrat:innen, die für sie einstanden.

Es stellt sich die Frage, ob Demokratien nur dann fortbestehen, wenn sie eine politische Kultur entwickeln, die sich auch in Krisenzeiten um Akzeptanz bemüht. Der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind – ganz bewusst – (Leistungs-)Grenzen eingeschrieben. Diese Selbstbeschränkung mag in Krisen dysfunktional erscheinen, zählt aber stets zum Wesenskern jeder Demokratie. Mit anderen Worten: Demokratien müssen Krisen aushalten können, um sich als Demokratien zu bewähren. Hierzu müssen sie jedoch auch von den Bürger:innen gegen Angriffe gestützt werden, so wie am 15. Oktober 2023 in Polen.