Tagungshaus
Bildung ist ein gesellschaftliches Gut – auch wenn neoliberale Stimmen immer wieder auf die individuelle Verantwortung jedes Einzelnen für den eigenen Bildungserfolg plädieren. Im Artikel 3 des Grundgesetzes ist festgeschrieben, dass niemand aufgrund seiner Herkunft benachteiligt werden darf. Die Verantwortung für Bildungschancen liegt in den Händen aller. Dabei müssen Kinder und ihre Lebensrealitäten stärker in den Blick genommen werden als das bislang passiert. Der Soziologe Aladin El-Mafaalani spricht in diesem Zusammenhang von „Superdiversität“.
In Grundschulen westdeutscher Großstädte haben bis zu 75 % der Kinder einen Migrationshintergrund und besitzen familiäre Wurzeln in über 50 Ländern mit 23 Muttersprachen. Die migrationsbezogene Diversität innerhalb einer Grundschulklasse übersteigt regelmäßig die Diversität eines international agierenden Unternehmens in derselben Stadt. Für die Kinder ist dies selbstverständlich und eine große Ressource. Im Bildungssystem für Kitas und Schulen wird jedoch weiterhin von homogenen Kindheiten in Bezug auf Sprache, Familienkonstellationen, Religiosität, ethnische und kulturelle Herkunft ausgegangen und werden superdiverse Kindheiten ignoriert. Dadurch werden wir den Bedarfen unserer Kinder nicht gerecht!
Während privilegierte Kinder durch Nachhilfestrukturen und sonstige Förderung die Schwächen des Bildungssystems auffangen können, besitzen Kinder aus verfestigten Armutsstrukturen diese Möglichkeiten nicht. Daher ist es nicht nur eine Frage der Verantwortung gegenüber den Kleinsten unserer Gesellschaft, sondern vor allem auch eine Frage der (Bildungs-)Gerechtigkeit, das Bildungssystem zu reformieren.
Einige Vorschläge für eine Reform des Bildungssystems, das die Realitäten der Kinder berücksichtigt, finden sich im folgenden Buch: Aladin El-Mafaalani, Sebastian Kurtenbach, Klaus Peter Strohmeier: Kinder – Minderheit ohne Schutz. Aufwachsen in der alternden Gesellschaft, Köln 2025.
Warum wir unseren Kindern, die in einem „superdiversen“ Umfeld aufwachsen, eine Reform des Bildungssystems schuldig sind, erläutert Robert Kläsener in seinem Standpunkt.